ABS Konferenz 2016 – Europe without borders

Die Europe Conference 2016 der Association for Borderlands Studies wurde vom 4.-7. Oktober von der Universität Luxemburg organisiert in Zusammenarbeit mit dem Center for Border Studies der Universität der Großregion. Das Rahmenthema „Differences and discontinuities in a „Europe without borders““ wurde schon im Jahr 2014 ausgewählt, seitdem hat es allerdings nicht an Aktualität verloren: Die politischen und sozialen Ereignisse der letzten Jahre verdrängen die Idee eines Europa ohne Grenzen und bewirken eine Renaissance von Grenzen. Dabei handelt es sich nicht immer um territoriale Grenzen, sondern auch oder vor allem um unsichtbare Grenzen, die als wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Differenzen und Diskontinuitäten wirksam sind. Die Bedeutung der nicht-territorialen Grenzen haben besonders die beiden Keynote Speaker (Anne-Laure Amilhat Szary (Université Joseph Fourier Grenoble) und Ulrike Hanna Meinhof (University of Southampton)) entwickelt und für die Rolle der Wissenschaftler bei der Untersuchung gesellschaftlicher Phänomene sensibilisiert.

Während der viertägigen Konferenz haben die ca. 100 Teilnehmer Grenzen, Differenzen und Diskontinuitäten in ihren vielfältigen Erscheinungsformen in insgesamt 18 Sitzungen diskutiert, wobei vier Schlüsselthemen die Arbeit strukturierten: Mobilität und Multilokalität, Mehrsprachigkeit und Diversität, Wachstum und Nachhaltigkeit sowie Instabilität und Wandel. Zum Programm zählten ferner vier Exkursionen, die die Konferenzteilnehmer unter der Leitung von Experten in die luxemburgisch-belgischen, luxemburgisch-deutschen und deutsch-französischen Grenzregionen führten. Ein besonderes Highlight bildete das Konferenzdinner im Rahmen einer Schiffstour im Dreiländereck um das bekannte luxemburgische Dorf Schengen.

Bilanziert wurden die Arbeiten von den Teilnehmern der Abschlussdiskussion. Folgende Punkte stellten sie für die weitere Entwicklung der Border Studies als zentral heraus:

Fokus auf nicht-territoriale Grenzen: Die Kategorien der Differenz und Diskontinuität erlaubt Grenzziehungsprozesse auch in alltagskulturellen Untersuchungskontexten sowie in größerer Komplexität zu erfassen. Der Fokus auf nicht-territoriale Grenzen blendet die territoriale Dimension allerdings nicht aus, stehen Differenzen und Diskontinuitäten doch stets mit nationalen bzw. räumlichen Grenzen in Beziehung. Eine größere Sensibilität für nicht-territoriale Grenzen hilft ein besseres Verständnis für Grenzziehungsprozesse zu erlangen, das angesichts der erwarteten fortschreitenden Divergenzen in Europa unverzichtbar ist.

Weitere disziplinäre Öffnung: Die stärkere Berücksichtigung von nicht-territorialen Grenzen erfordert eine größere disziplinäre Öffnung der Border Studies. Der Austausch und Dialog sollte vor allem im Hinblick auf Disziplinen erfolgen, die sich vorzugsweise mit Phänomen des Dazwischen auseinandersetzen und ein geeignetes Begriffs- bzw. Untersuchungsinstrumentarium bereithalten.

Dezentrierung der Grenze: Die Kategorien der Differenz und Diskontinuität stärken die Prozessperspektive bei der Untersuchung von Grenzziehungen und Grenzrelativierungen. Sie erlauben Grenze nicht länger als einen Gegenstand, sondern als einen multidimensionalen Prozess zu verstehen und zu untersuchen, der sich in sichtbaren Grenzen materialisiert. Mit dieser Verschiebung des analytischen Blicks können die Border Studies auch Grenzziehungen und Grenzrelativierungen in der Mitte von nationalen Gesellschaften erschließen.

Komparative Perspektive und stärkere theoretische Fundierung: Die Border Studies kennzeichnen sich durch eine unüberschaubar gewordene Zahl an empirischen Fallstudien in unterschiedlichen räumlichen Untersuchungskontexten. Zukünftig stärker sollte das so gewonnene Wissen in vergleichender Perspektive miteinander vernetzt werden, um ein besseres Verständnis für Grenzziehungen und Grenzrelativierungen zu gewinnen. Außerdem wird darin die Möglichkeit gesehen, weitere theoretische Grundlagen zu generieren und somit die Border Studies auf ein solides theoretisches Fundament zu heben.

Kritische Perspektive stärken: Insbesondere angesichts des aktuellen Ereignisse in Europa ist die Einnahme einer kritischen Perspektive bei der Untersuchung von Grenzziehungsprozessen unumgänglich. Eine solche Perspektive schließt Überlegungen zur Rolle des Wissenschaftlers im Forschungsprozess und in der Kommunikation von Forschungsergebnissen ein. Außerdem betrifft sie die Entwicklung von Forschungsfragen, die eine größere Sensibilität für Machtverhältnisse aufweisen sollten, wie für die Instrumentalisierung von (konstruierten) Differenzen und Diskontinuitäten.

Die nächste Europe Conference der Association for Borderlands Studies findet im Rahmen der ABS World Conference 2018 in Wien/Budapest statt.