Alltagspraktiken und Mitbestimmung

Hinsichtlich der Integration von Grenzgängern in Luxemburg können verschiedene Aspekte thematisiert werden. Dazu zählt die Arbeitnehmermitbestimmung der Pendler ebenso wie die Frage, inwiefern Grenzgänger außerhalb der Arbeitszeit Aktivitäten in Luxemburg ausführen.

Zu Letztgenanntem zeigen Drevon/Gerber et al. (2016: 11ff.), dass die Mehrheit der Grenzgänger im Arbeitsland keine Alltagspraktiken ausführt. Noch 1,6% der Grenzgänger tun dies vor Arbeitsbeginn, 10% im Tagesverlauf (v.a. in der Mittagspause) und 14% während des Feierabends, wobei es sich im Wesentlichen um Einkaufen, Essengehen und jobbezogene Fahrten handelt. Insbesondere der Konsum der Grenzgänger ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: „[C]ross-border commuter households contribute significantly to the Luxembourg economy“ (Mathä/Porpiglia et al. 2017: 2023). Dennoch zählen Drevon/Gerber et al. (2016: 14 und 16) nur 16% der Grenzgänger zu den „integrierten Grenzgängern“ und schlussfolgern: „cross-border workers are more or less integrated in Luxembourg“.

Die Gründe für diesen Befund können in den täglich zurückzulegenden Fahrtstrecken gesehen werden, in der räumlichen Verteilung von Freunden und Familienmitgliedern sowie in Ereignissen der Lebensspanne (Elternschaft, Pflege von Familienangehörigen etc.) (Wille 2012: 296ff.). Allerdings spielen diese und weitere Aspekte vermutlich ebenso eine Rolle für die Luxemburger Wohnbevölkerung bei der Ausführung von Alltagsaktivitäten.

Die Partizipation der Grenzgänger im Rahmen der Arbeitnehmermitbestimmung ist ein weiterer Integrationsaspekt. Franz Clément (2012) als einer der wenigen Autoren, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, stellt eine niedrige Beteiligung der Grenzgänger an den Sozialwahlen fest und damit eine schwache Vertretung in der Arbeitskammer Luxemburgs (Chambre des salariés). Als Gründe dafür werden Systemunterschiede zwischen den Wohnländern und Luxemburg sowie die weitgehend von Luxemburgern gestellten Kandidaten angeführt, weshalb Grenzgänger vom Instrument der Sozialwahlen und den entsprechenden Repräsentationsorganen wenig Gebrauch machen.

Politisch stärker partizipieren die Pendler auf den ersten Blick im Rahmen der Gewerkschaften, die mit ihren Schwesterorganisationen in dem Wohnländern der Grenzgänger eng zusammenarbeiten. Allerdings bleibt die sozialpolitische Einflussnahme der Grenzgänger begrenzt aufgrund der Handlungskompetenzen der Arbeitnehmervertretungen. Grenzgängern profitieren in erster Linie von den Informations- und Beratungsangeboten der Gewerkschaften.

Schließlich werden die Interessen der Grenzgänger auch auf grenzüberschreitender Ebene über die Zusammenarbeit der Sozialpartner vertreten (z. B. im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion, Interregionaler Gewerkschaftsrat), jedoch bleibt die Handlungsfähigkeit dieser Gremien beschränkt. Clément (2012: 175) resümiert vor diesem Hintergrund: „La représentation sociopolitique des travailleurs frontaliers au Luxembourg et dans la Grande Région est loin d’être optimale“ und unterstreicht, dass Grenzgänger in Luxemburg trotz ihres quantitativen Gewichts und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nur wenig bis gar nicht sozialpolitisch partizipieren.

Literatur

Clément, Franz (2012): Quelle représentation sociopolitique pour les travailleurs frontaliers au Luxembourg et dans la „Grande Région“ ? LABOUR, Capital and Society 45 (1), S. 143-178.

Drevon, Guillaume / Gerber, Philippe / Klein, Olivier / Enaux, Christophe (2016): Measuring Functional Integration by Identifying the Trip Chains and the Profiles of Cross-Border Workers: Empirical Evidences from Luxembourg. Journal of Borderlands Studies, S. 1-20, http://dx.doi.org/10.1080/08865655.2016.1257362

Mathä Thomas, Porpiglia Alessandro, Michael Ziegelmeyer (2017): Cross-border commuting and consuming: an empirical investigation. Applied Economics 49 (20), 2011-2026.

Wille (2012): Grenzgänger und Räume der Grenze. Raumkonstruktionen in der Großregion SaarLorLux. Peter Lang. mehr Info